Sport
Sport ist ein wichtiger Bestandteil der Freizeitgestaltung und einer aktiven Lebensführung. Wenn Sie an einem Typ 1-Diabetes erkrankt sind, müssen Sie in dieser Hinsicht auf nichts verzichten. Denn die moderne Diabetestherapie mit Blutzuckerselbstkontrolle und Insulindosisanpassung macht es möglich, dass beim Fehlen ernster Folgeerkrankungen praktisch alle Sportarten ausgeübt werden können. Zahlreiche Spitzensportler mit Typ 1-Diabetes haben das eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auf Grund der besonderen Stoffwechselsituation müssen jedoch einige Besonderheiten beachtet werden.

Positive Effekte auf Blutfette und Herz-Kreislauf-System
Bei Menschen mit Typ 2-Diabetes, bei denen ein relativer Insulinmangel besteht, ist regelmäßige körperliche Aktivität ein zentraler Bestandteil der Therapie. Denn Sport kann bei ihnen die Blutzuckerwerte senken, indem er die Insulinwirkung verbessert. Demgegenüber ist beim Patienten mit Typ 1-Diabetes die Eigenproduktion des Insulins weit gehend zum Erliegen gekommen (absoluter Insulinmangel) und muss durch die äußere Zufuhr des Hormons ersetzt werden. Sport und andere körperliche Aktivitäten machen diese Insulinersatztherapie nicht unbedingt einfacher. Trotzdem ist aus ärztlicher Sicht regelmäßiger Sport auch bei Typ 1-Diabetes sinnvoll, denn oft lässt sich durch Sport eine Stoffwechselsituation stabilisieren. Die positiven Auswirkungen auf die allgemeine Fitness und vor allem auf das Herz-Kreislauf-System machen sich auch bei Menschen mit einem Typ 1-Diabetes bemerkbar. So kam es in einer Studie, an der 20 Patienten mit Typ 1-Diabetes (mittlere Diabetesdauer: elf Jahre) und zufrieden stellender Stoffwechsellage (HbA1c 7,6%) teilgenommen haben, während eines dreimonatigen Trainingsprogramms zwar nicht zu einem Abfall des HbA1c, jedoch zu einer signifikanten Verbesserung der Blutfettwerte und des Blutdrucks

Sport bewusst planen
Wenn Sie an einem Typ 1-Diabetes erkrankt sind, müssen Sie Ihren Sport vor allem bewusst planen. Denn bei körperlicher Aktivität treten im Organismus eine Reihe von Anpassungen in Kraft, die durch den vermehrten Energiebedarf (Zucker bzw. Glukose) der Muskelzellen ausgelöst werden und bei insulinbehandelten Diabetes-Patienten gestört sind: Damit die Leber in dieser Situation für ausreichend Glukose-Nachschub sorgen kann, wird beim Menschen ohne Diabetes die Insulinausschüttung automatisch zurückgefahren. Denn einerseits hindert das Insulin die Leber an der Zuckerneubildung und -ausschüttung ins Blut. Und andererseits wird bei körperlicher Aktivität deutlich weniger Insulin benötigt, um den Zucker aus dem Blut in die Muskulatur einzuschleusen. Im Anschluss an eine längere körperliche Betätigung werden die Zuckerspeicher in Muskulatur und Leber dann wieder aufgefüllt. Durch ein fein abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Hormone – vor allem des Insulins und der so genannten „Stresshormone“ (Adrenalin, Noradrenalin) – gelingt es dem Organismus, auch unter den Bedingungen von körperlicher Aktivität unterschiedlicher Intensität, den Blutzuckerspiegel dadurch konstant zu halten, dass die Insulinsekretion gesenkt wird. Bei Menschen mit Typ 1-Diabetes ist dieser Automatismus gestört.

Sie sollten daher beim Sport vor allem Folgendes berücksichtigen: Muskelaktivität verstärkt generell die Insulinwirkung! Deshalb besteht beim Sport Unterzuckerungsgefahr. Vor dem Sport müssen daher
• die Insulindosis vermindert und/oder
• kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel gegessen werden.

Diese beiden Maßnahmen hören sich einfach an, im Sportalltag steckt der Teufel jedoch im Detail. Die blutzuckersenkende Wirkung sportlicher Aktivität hängt nämlich von zahlreichen Faktoren ab:
• Injektionszeit und Wirkprofil des verwendeten Insulins
• Zeitpunkt und Kohlenhydratanteil der letzten Nahrungsaufnahme
• Dauer, Art und Intensität der sportlichen Aktivität
• aktueller Blutzuckerspiegel
• Trainingszustand

1. Reduktion der Insulindosis
Allgemein gültige „Kochrezepte“, nach denen die Insulindosis angepasst werden kann, gibt es angesichts dieser Komplexität nicht. Auf der Basis von individuellen Erfahrungen müssen vielmehr Arzt und Patient gemeinsam herausfinden, wie die Insulindosis bei unterschiedlichen Belastungen anzupassen ist.

Einige Faustregeln können jedoch gegeben werden:
• Vor einer Aktivität von mittlerer bis hoher Intensität und einer Dauer von über 30 Minuten sollte die Dosis des Normalinsulins zur vorherigen Mahlzeit um 30 bis 50 Prozent reduziert werden, wenn der Beginn der Aktivität in den Zeitraum der stärksten Insulinwirkung fällt, also etwa anderthalb bis zwei Stunden nach Injektion.
• Bei anhaltender, anstrengender, vormittäglicher oder ganztägiger Belastung (z.B. einem Skitag) sollte zusätzlich die Dosis des morgendlichen Verzögerungsinsulins reduziert werden, je nach Belastungsdauer und Intensität um bis zu 50 Prozent.
• Bei Verwendung rasch wirkender Insulinanaloga ist zu beachten, dass das Unterzuckerungsrisiko in den ersten ein bis zwei Stunden nach Injektion erhöht, danach reduziert ist.
• Wegen des „Muskel-Auffülleffekts“ ist insbesondere nach längerer körperlicher Aktivität die Insulinwirkung auch noch nach der Beendigung der Aktivität verstärkt. In diesen Fällen sollte auch die abendliche Basalinsulindosis um etwa 20 bis 30 Prozent reduziert werden.
• Insulinpumpenträger haben die elegante Möglichkeit, während und nach dem Sport die Basalrate unterschiedlich stark abzusenken und so dem physiologischen Insulinsekretionsmuster am nächsten zu kommen.

2. Steigerung der Kohlenhydratzufuhr
Prinzipiell lassen sich Hypoglykämien beim Sport von insulin-spritzenden Personen auch durch Zufuhr von zusätzlichen „Sport-BEs“ (Broteinheiten) vermeiden. Bei einer geplanter Sportausübung, die länger als eine halbe Stunde dauert, sollte jedoch einer Reduktion der Insulindosis der Vorzug gegeben werden. Selbst dann kann vor oder während des Sportes eine zusätzliche Kohlenhydrataufnahme erforderlich sein.

Als Faustregel gilt:
Pro 30 Minuten Aktivität mittlerer Intensität eine Zusatz-BE essen.

Geeignete Zusatz-BEs:
„Langsam“ wirkende BEs:
• Brot
• Apfel
• Banane
• Schokolade

„Schnell“ wirkende BEs:
• Saft
• Rosinen
• Cola
• Traubenzucker
Das Mitführen schnell resorbierbarer Kohlenhydrate (Not-BEs) zur Verhinderung einer Hypoglykämie ist bei jeder stärkeren körperlichen Aktivität

3. Regelmäßige Blutzucker-Selbstkontrolle
Beim Sport ist es auch stets wichtig, neben einer möglichen Unterzuckerung auch auf zu hohe Blutzuckerwerte, d.h. auf Insulinmangelsymptome zu achten.

Achtung: Keine körperliche Aktivität bei Insulinmangel!
Ein absoluter Insulinmangel liegt dann vor, wenn hohe Blutzuckerwerte gemessen werden und außerdem im Urin Azeton nachweisbar ist. Im Insulinmangelzustand gibt die Leber verstärkt Glukose in die Blutbahn ab. Wird in dieser Situation trotzdem Sport getrieben, verstärken Stresshormone diesen Vorgang noch weiter. Die Glukose kann jedoch wegen des fehlenden Insulins nicht in die Muskulatur gelangen. Daher verbrennt diese ersatzweise Fettsäuren in großen Mengen, wodurch sogenannte Ketonkörper (z.B. Azeton) anfallen, die sich im Blut anhäufen. Die Stoffwechselentgleisung verschärft sich also durch den Sport und kann bis zur Ketoazidose, einer lebensgefährlichen Komplikation, eskalieren. Daher gilt:

Immer vor Beginn einer sportlichen Aktivität den aktuellen Blutzucker messen!
Liegt der Blutzucker über 250-300 mg/dl, sollte mit einem speziellen Teststreifen der Urin auf Azeton getestet werden. Wenn der Test zwei- oder gar dreifach positiv ausfällt: Keine körperliche Aktivität, sondern zuerst Normalinsulin oder ein rasch wirkendes Insulinanalogon spritzen, viel Wasser trinken und nach ein bis zwei Stunden erneut messen. Es sollte erst dann wieder Sport getrieben werden, wenn der Insulinmangel sicher beseitigt ist!

Blutzuckermessungen vor, während und Stunden nach der körperlichen Betätigung sind von größter Wichtigkeit für eine sichere Sportausübung. Es sollte auch protokolliert werden, wie viele Sport-BEs gegessen wurden und wie viel Insulin gespritzt wurde. Dauer und Intensität der Belastung und Angaben zur Tagesform sollten zusätzlich vermerkt werden. Auch die Art des Insulins und der zeitliche Abstand zwischen Nahrungsaufnahme und Insulingabe sollte protokolliert werden. (vgl. Abschnitt „Reduktion der Insulindosis“). Nur so lassen sich systematisch Erfahrungen in der Sportausübung unter Insulintherapie sammeln und individuelle Regeln ableiten.

Blutzuckeranstieg nach dem Sport? Ursachen und Abhilfe
Trotz der Vorsichtsmaßnahmen kann es passieren, dass der Blutzucker nach dem Sport erhöht ist. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Ursachen und Möglichkeiten zur Abhilfe:
• Insulinmenge zu stark reduziert? Zu viel Zusatz-BEs gegessen? (häufigste Ursache) Abhilfe: Tagebuch führen: Einmal ist kein Mal! Evtl. andere Anpassung ausprobieren.
• Sport in einer Insulinversorgungslücke getrieben? (Insulinmangel, Ketoazidosegefahr, Sprunganker s.o.) Abhilfe: Insulinversorgungslücke schließen. Andere Sportzeit wählen (wenn möglich)
• Sport bis zur vollständigen körperlichen Erschöpfung (Wettkampf): Bei Leistungssportlern nicht vermeidbar.

Sportarten, bei denen eine Unterzuckerung nicht effektiv bekämpft werden kann und/oder bei denen lebensgefährliche Konsequenzen drohen, sind für insulinbehandelte Diabetes-Patienten besonders risikoträchtig. Hierunter fallen z.B. Paragliding oder Free climbing.

4. Die wichtigsten Regeln
Wenn Sie an einem Typ 1-Diabetes erkrankt sind und Sport oder andere körperliche Aktivitäten betreiben möchten, sollten Sie sich folgende Regeln zu Herzen nehmen:
• immer Traubenzucker in der Sportkleidung mitnehmen
• jeder muss seine Blutzuckerreaktion auf Bewegung selbst herausfinden!
• bei Bewegung und Sport häufiger Blutzuckerselbstkontrollen durchführen
• vor mehrstündigem Sport Insulindosis deutlich reduzieren
• Zusatz-BEs essen, wenn keine Anpassung der Insulindosis möglich oder sinnvoll ist
• bei Sport von kurzer Dauer und geringer Intensität sollte die Anpassung nicht über die Insulindosis, sondern über zusätzliche Kohlenhydrate erfolgen: Geeignet sind z.B. Obst, Brot, Schokolade, Fruchtsäfte, Cola und Rosinen in kleinen Mengen
• Sportkameraden, Freunde, Trainer, Lehrer über Unterzuckerungsrisiko und Gegenmaßnahmen informieren
• bei Insulinmangel kein Sport treiben, sondern zuerst Insulinmangel beheben

Für die Vollständigkeit der aufgeführten Listen wird keine Gewähr übernommen. Bevor Sie mit dem Sport beginnen, sollten Sie unbedingt mit Ihrem Arzt darüber reden.